Ein Glanzstück für mangelnden Durchblick heute auf tagesschau.de:
„Hip Hop ist schon lange in der Kritik für frauenverachtende Texte und Beschimpfungen. Dabei verteidigen einige Schwarze, dass beispielsweise das Wort Nigger inzwischen eine neue Bedeutung habe. Schwarze haben es für sich erobert und nennen sich gegenseitig so. Andere gehen gegen die Beleidigungen auf die Barrikaden. Russell Simmons hofft nun auf so etwas wie eine freiwillige Selbstkontrolle in der Musikindustrie. Den Künstlern könne man nicht den Mund verbieten. ‚Leute werden sich immer von Dichtern beleidigt fühlen. Aber wir leben in einer sexistischen, rassistischen und gewalttätigen Welt‘, erkennt Simmons an. Wenn Künstler diese Wahrheit aussprächen, müssten wir uns damit auseinandersetzen. Wenn uns ihre Sprache beleidige, müssten die Worte raus – besonders im Radio, fordert er. ‚Aber ich halte nichts von Zensur‘, erklärt Simmons nachdrücklich.“
(„USA: Freiwillige Zensur der Hip-Hop-Szene“ auf tagesschau.de)
Wieso werden hier sexistische Zustände mit dem Hinweis auf die Neubelegung von ehemals rassistischen Schimpfwörtern erklärt? Sexismus und Rassismus sind zwar beides Grundprobleme der heutigen Gesellschaft, aber sie in einen Topf zu werfen für einen Erklärungsversuch halte ich für unmöglich.
Überhaupt, was soll mir diese Textpassage sagen? Soll mir das sagen, dass die Frauen, die in 50Cents Videos mit makellosen Körperformen, aalglatter Haut und wenig Kleidung mit ihren sekundären Geschlechtsmerkmalen wackeln, nur eine Ode an die Weiblichkeit darstellen (und wenn ja, an welche „Weiblichkeit“ überhaupt)? Dass der Sexismus, der eine_n förmlich aus diversen Hip-Hop-Musikvideos anschreit, eigentlich nur eine Neubelegung von sexistischen Verhaltensmustern bedeuten soll? Sorry, mir wird grad schlecht.
Apropos Übelkeit… Klar leben wir in einer sexistischen, rassistischen und gewalttätigen Welt. Aber Rapper wie 50Cent halten uns keinen Spiegel vor, wenn sie Textpassagen wie „I‘ll take you to the candy shop / I‘ll let you lick the lollipop / Go ‚head girl, don‘t you stop / Keep going ’til you hit the spot (woah)“ singen. Sexistische Inhalte zu verbreiten und Stories über Sexismus zu erzählen sind echt zwei Paar Schuhe.
Da wird den Dichtern 50Cent, Ludacris und co. wohl in Zukunft nichts anderes übrigbleiben, als ein paar Pieptöne über gewisse Schimpfwörter zu legen, wenn sie nicht das Opfer von fehlender Selbstzensur sein wollen ([ironie]und nein, natürlich ist fehlende Selbstzensur keine aktive Zensur [/ironie]). Schade, dass die Musikindustrie denkt, dass mit Entfernung der Schimpfwörter die Lieder entschärft werden, da doch die untragbaren Inhalte bleiben.