I Should Have Known Better
Guten Abend, liebe Stadt, ich bin da, was geht ab?
Das Übliche – Clubs, Bars, Kino, Fastfood Restaurants. Tanzen, trinken, rauchen, reden, lachen, diskutieren, erholen, abschalten, auftanken. Sich gut fühlen, lebendig, glücklich, stark, schön, beschwipst, befreit. Freund*innen sehen, einfach zusammen sein. Das gute Leben. Das Gute leben.
Tell Me Why
Angerempelt werden. Beschimpfungen über mich ergehen lassen. Angestarrt werden. Mich „anmiezen“ lassen. Beleidigungen hören. Angegrapscht , auf Skalen bewertet, Verfolgt werden. Schlagfertige Sprüche zu Hause überlegen.
Abend gelaufen. Opfer sein.
Any Time At All
„Ich bin kein Opfer!“, denke ich während ich meinen Schlüssel als Waffe in der Hand halte.
„Ich bin kein Opfer!“, wenn ich mich auf dem Heimweg ständig umdrehe.
„Ich bin kein Opfer!“, wenn ich dem Gegenüber immer wieder erkläre, warum ich meine Nummer nicht gebe.
„Ich bin kein Opfer!“, wenn mir die Tränen in den Augen stehen.
„Ich bin kein Opfer!“, wenn ich mich mit Händen und Füßen wehren muss.
„Ich bin kein Opfer!“, wenn ich davon laufe.
„Ich bin kein Opfer!“, wenn ich dunkle Gegenden und Straßen vermeide.
„Ich bin kein Opfer!“, wenn ich den Blick senke, weil mir jemand entgegenkommt.
„Ich bin kein Opfer!“, wenn ich immer wieder „Nein“ sage und sagen muss.
I’ll Cry Instead
„Ich bin kein Opfer!“, sage ich, weil ich es satt habe, mich wertlos oder hässlich zu fühlen, als verfügbar zu gelten, zur Bewertung frei zu stehen, mich zu fragen, wie viel Schuld ich an solchen Vorfällen habe, mich nachts nicht sorglos bewegen zu können.
Und ich will kein Opfer sein.
Things We Said Today
Seid endlich still, geht weg. Ich weiß wo die nächste Diskothek ist, aber ich will es euch nicht sagen, und ich komme auch nicht mit. Wo ich wohne, fragt ihr und die letzte gequälte Höflichkeit ist aufgebraucht. Ihr kennt Körpersprache, ihr kennt Distanz und ihr kennt das Wort „Nein“. Ihr missachtet es absichtlich und ihr verachtet mich. Ihr wollt nicht wirklich meine Nummer, nicht mit mir reden, mich nicht kennenlernen, mich nicht einfach nur küssen oder mit mir schlafen. Ihr wollt mich bedrohen, meinen Wert untergraben, mich klein sehen und zeigen wem die Straße gehört, Macht demonstrieren.
When I Get Home
Und dann schafft ihr es. Ich muss mich beschützen. Bestimmte Veranstaltungen umgehen, Schutzräume finden, euch die Straße überlassen. Zumindest eine Weile, um Kraft zu tanken. Wenn man ständig hört und zu spüren bekommt, man sei nichts wert, fängt man es irgendwann an zu glauben. Also Urlaub von der Straße um sich zu besinnen wer man ist? Das kann es doch auch nicht sein. „Ich bin kein Opfer!“
You Can’t Do That
Also weitermachen. Ertragen! Kämpfen. Solidarität einfordern. Aufklären. Sich engagieren. Und sich endlich wieder stark fühlen. Kein Opfer sein! Das Gute leben.
Bis zum nächsten Abend, der nächsten Kreuzung, der nächsten Begegnung, dem nächsten Blick, Spruch, Übergriff, der nächsten Beleidigung, Ohnmacht.
I’ll Be Back
Gute Nacht, liebe Stadt. Du machst mich müde, hilflos und taub. Morgen früh werde ich aufwachen und wieder wissen: Ich bin kein Opfer. Aber erst mal Urlaub.
It’s been a hard day’s night.