Der folgende Artikel erschien in der Brav_a #2 im März 2013. Die Brav_a {spanisch: tapfer, mutig, wild, wütend} ist ein queer-feministisches Zine (Was ist ein Zine?) im Stil einer Teenie-Zeitschrift. Das Heft beschäftigt sich in teils ironischer und satirischer aber auch ernster Form unter anderem mit Themen wie Liebe, Sex, Feminismus, etc. Die Texte stammen von unterschiedlichen Autor_innen und sind zum großen Teil in leicht verständlicher Sprache geschrieben um sowohl für Teenager als auch erfahrene (Queer-) Feminist_innen erschließbar zu sein. Mehr Infos, auch wo es die Brav_a zu kaufen gibt hier: brava.blogsport.de. Es werden übrigens auch immer neue Beiträge für die nächste Ausgabe gesucht!
Der große Brav_a-Flirtguide: Wie der nächste Frühling auf jeden Fall zum Erfolg wird
Seit etwas mehr als einem halben Jahr bin ich nach einer langen Beziehung mit traurigem, aber undramatischem Ende wieder Single. Ich hatte schon ganz vergessen, wie das ist, nicht nur jede Nacht alleine zu schlafen, sondern auch wieder Teil des Kollektivs der Menschen „auf der Suche“ zu sein…
In der letzten Brav_a ging es in dem Text von Laura darum, zumindest zeitweise keinen Sex, keine Romantik, keine Beziehung zu wollen, und ich kenne dieses Gefühl auch von mir. Und ich weiß, dass die Zeit, die ich das letzte Mal länger ohne Partnerschaft und auch größtenteils ohne Affären oder auch nur Rumgeknutsche verbrachte, sehr gut für mich war. Damals kam ich auch aus einer etwas traumatischen Langzeitbeziehung mit einem Arschloch und es fiel mir schwer, überhaupt wieder Menschen attraktiv zu finden. Jetzt aber habe ich Lust auf eine neue Beziehung oder auch nur eine Affäre oder irgendwas – und stoße mich leider an einem alten Problem von mir: Ich kann nicht flirten.
„Du gefällst mir, also ignorier‘ ich dich“
Wenn ich jemanden interessant finde, gehe ich wie folgt vor: Ich starre die Person an. Wenn sie zurück guckt, wende ich den Blick schnell ab und gucke möglichst desinteressiert. Wenn sie mich anlächelt, fällt mir meistens nicht auf, dass die Person vielleicht flirten könnte, also gucke ich zuerst hinter mich, um zu sehen, ob sie jemand anderen meint, und dann gucke ich schnell desinteressiert weg.
In meinem Kopf kann ich seitenlange Scripte für mögliche Unterhaltungen schreiben, die man in zehn romantischen Liebeskomödien verbraten könnte, aber wenn es dann mal darauf ankommt, kann ich nur ein paar unfreundliche Halbsätze stammeln und dabei verschämt in mein Bierglas starren.
„Du gefällst mir, also gefall‘ ich mir selbst nicht mehr“
Ich halte mich eigentlich für eine selbstbewusste Frau, bin zufrieden mit meiner Persönlichkeit, mit meinem Leben und auch mal mehr und mal weniger mit meinem Körper – dennoch: Finde ich jemanden attraktiv, denke ich oft, sie_er ist „out of my league“, und liste im Kopf meine äußerlichen und innerlichen Defekte auf. Dass die Person mich ebenfalls attraktiv finden könnte, erscheint mir unglaubwürdig. Daher gucke ich lieber schnell weg, bevor ich mich blamieren könnte. Bloß keine Schwäche zeigen!
Jetzt wird alles anders!
Ich habe in letzter Zeit viel in meinem Freundeskreis über die Thematik geredet, und es kristallisierten sich ein paar gemeinsame Beobachtungen und Erkenntnisse heraus. Da sie mir geholfen haben, möchte ich sie euch, ohne jetzt universelle Regeln aufstellen zu wollen, nicht vorenthalten:
Tipp #1: Selbstdiss ist bevormundend
Den Gedanken „Quatsch, sie_er kann mich doch gar nicht wirklich gut finden“ kann man auch als sehr bevormundend ansehen. Man sollte und kann nicht für andere Leute entscheiden, wen/was sie attraktiv finden. Oft finde ich Eigenschaften anziehend, die laut Mainstream-Schönheitsideal „hässlich“ sind, nur weil sie mich an andere nette Menschen in meinem Leben erinnern. Oder weil klassische Schönheit auch einfach mal sehr, sehr langweilig sein kann… (mehr…)